Schäden an O-Ringen: Unverträgliche Medien
Eine Werkstoffverträglichkeit mit dem Dichtungswerkstoff setzt eine ausreichende Quellbeständigkeit und chemische Beständigkeit voraus. Bei statischen O-Ring Abdichtungen kann man bei normgerechter Nutauslegung (DIN 3771 Teil 5) davon ausgehen, dass dem O-Ring auch bei ungünstigsten Toleranzlagen mindestens 15% seines Volumens zur Quellung zur Verfügung stehen, selten gibt es bei statischen O-Ring-Abdichtungen Quellprobleme, solange die in Laborversuchen ermittelte Quellrate unter 30 % liegt. Erst bei höheren Quellraten besteht die Gefahr, dass der O-Ring infolge einer Nutüberfüllung in den Dichtspalt gedrückt und an den Enden zerstört wird. Dies muss nicht zwangsläufig zu einem Dichtungsausfall führen, allerdings stellt dies einen undefinierten Betriebszustand dar, der insbesondere auch durch die erzeugten losen Gummipartikel für ganze Anlagen und Prozesse zum Betriebsrisiko wird. Besonders empfindlich auf Quellung reagieren dynamische O-Ring-Abdichtungen. Bereits bei Volumenzunahmen über 8-10 % kann die Reibkraft stark zu- und der Abriebwiderstand stark abnehmen. Dadurch kann sich die Laufzeit der Dichtung wesentlich verkürzen. Daher wird vor dem Einsatz von O-Ringen als dynamische Abdichtung die Durchführung von Quelltests empfohlen. Zu beachten ist dabei, dass sich das Quellverhalten von O-Ringen auch innerhalb gleicher Lieferanten rezepturbezogen ändern kann, das heißt, dass diejenigen Rezepturen getestet werden sollten, die dann auch tatsächlich zum Einsatz kommen. Ein exemplarischer Test einer einzigen Rezeptur, beispielsweise für alle NBR-Werkstoffe, ist nicht ausreichend, zumindestens nicht bei dynamischen Anwendungen. Bild 1 zeigt einen O-Ring, der nach kurzer Betriebszeit in einer Gleitringdichtung infolge Quellung und Abrieb ausgefallen ist.Bei statischen Anwendungen ist die Empfindlichkeit gegenüber Quellung viel geringer, daher ist es dort meistens ausreichend, die Quellraten sinnvoll abschätzen zu können, ob diese den oben genannten Kriterien (max. 30%) entsprechen oder nicht. Ein Volumenschwund, beispielsweise infolge hoher Weichmacheranteile sollte vermieden werden, da dies zu einer wesentlichen Lebensdauerverkürzung führen kann.

Neben einer ausreichenden Quellbeständigkeit ist eine chemische Verträglichkeit der O-Ringe mit allen Kontaktmedien erforderlich. Unabhängig von der Größe der Quellung kann das vom Dichtungswerkstoff aufgenommene Medium unzulässige chemische Veränderungen in der Polymer- oder Netzwerkstruktur verursachen. Dies kann zu einer Erweichung der O-Ringe bis hin zu einer klebrigen Oberfläche führen, häufiger ist eine Versprödung, oftmals verbunden mit einer rissigen Oberfläche. Diese Art der Einwirkung muss weitgehendst ausgeschlossen werden, da dies zu einem Verlust der gummielastischen Eigenschaften bis hin zur Zerstörung der O-Ringe führen kann. Bild 2 zeigt ein Beispiel für einen chemischen Angriff, die Rißbildung hat auf der produktzugewandten Seite des O-Rings stattgefunden.
Findet man in den Medienbeständigkeitstabellen der Dichtungslieferanten den Hinweis auf eine Verträglichkeit, so lässt sich das meistens ausreichend genau auf die ganze Polymerfamilie übertragen, das heißt rezepturübergreifend, zumindestens bezüglich der chemischen Einwirkung.

Zu hohe Temperaturen
Die Temperaturbeständigkeit von O-Ringen wird bei den meisten Anwendungen durch einen chemischen Reaktionsmechanismus der Alterung durch Sauerstoff und Wärme begrenzt, nämlich der Nachvernetzung und der parallel verlaufenden Kettenspaltung des Polymers. Das bedeutet, dass die Höhe der zulässigen Temperaturobergrenze eines O-Ringes beziehungsweise einer bestimmten Rezeptur abhängig ist von der Beanspruchungsdauer. Langzeittests an NBR O-Ringen einer guten Standard Rezeptur (Schnurstärke 3,53 mm) haben bei 125 °C eine Betriebsdauer von ca 1000h ergeben, bei 100°C ca 4200h und bei 80°C ca 17 000h. Je höher für denselben O-Ring die Lebensdaueranforderung ist, desto niedriger ist die zulässige Dauertemperatur . Was für den O-Ring eine zu hohe Temperaturbelastung bedeutet, hängt also einerseits von dem Leistungsprofil des Werkstoffes und andrerseits von dem Temperaturkollektiv des Anwenders ab. Auch die Schnurstärke kann eine wichtige Rolle spielen. Je dicker diese ist, desto mehr Sicherheitsreserven hat der O-Ring bezüglich der Hochtemperaturbeständigkeit. Ein starkes Überschreiten der Kurzzeit-Temperaturobergrenze führt zu Rissen und zu einer glänzigen Oberfläche an den O-Ringen. Bild 3 zeigt Risse an einem O-Ring, wie sie durch eine kurzzeitige Überhitzung entstanden sind, der O-Ring selbst war noch nicht verhärtet. Sind die ausgefallenen O-Ringe dagegen komplett versprödet und bleibend verformt, ist das ein Hinweis auf eine Überschreitung der maximal zulässigen Betriebsdauer innerhalb des polymertypischen Temperaturbereiches. Zur Verbesserung der Lebensdauer sollten dann besser temperaturbeständigere Polymere eingesetzt werden, beispielsweise statt NBR-Werkstoffe HNBR- oder FKM-Elastomere.

Zu hohe Drücke
Die Widerstandsfähigkeit von O-Ringen gegenüber hohen Drücken wird maßgeblich von der Werkstoffhärte bestimmt. Ein härterer O-Ring erfordert bei gleichen Spaltweiten höhere Drücke, bis dieser durch das Einpressen in den Dichtungsspalt an der Nutkante aufplatzt. Bei ausreichenden Kantenradien (0,1-0,3 mm) lassen sich mit normgerechten Einbauräumen nach DIN 3771 Teil 5 für ruhende Abdichtungen mit harten O-Ringen (90 +/-5 IRHD) in der Regel Drücke bis 400 bar problemlos abdichten. Voraussetzung dafür ist die Begrenzung des Dichtspaltes auf möglichst unter 0,1 mm, bei geringeren Drücken können auch weichere Werkstoffe eingesetzt oder größere Dichtspalte zugelassen werden. Mithilfe von Grenzkurven, wie sie die Dichtungshersteller in ihren Konstruktionsempfehlungen anbieten, kann die Zulässigkeit des Spaltes in Abhängigkeit der verwendeten Werkstoffhärte und des maximalen Betriebsdruckes überprüft werden.Durch Spaltextrusion zerstörte O-Ringe zeigen an der druckabgewandten Seite deutliche Beschädigungen, das können dünne, zum Teil recht lange Extrusionsfahnen sein, Bild 4 oder kleine Materialausbrüche, was den O-Ring an dieser Stelle wie angeknabbert aussehen lässt. Oftmals findet man dieses Schadensbild nur an einer Stelle des Umfangs, nämlich an der Stelle der größten Exzentrizität und damit des größten Dichtspaltes.

Im Vergleich zu einer chemischen Einwirkung hat der Werkstoff noch seine gummielastischen Eigenschaften, er bricht also nicht beim starken Ziehen oder Biegen und hat auch keine Risse an der Oberfläche. Erhöhte Temperaturen führen bei Gummiwerkstoffen zu einer Verminderung der Zugfestigkeit und der Reißdehnung, das heißt, dass die Anfälligkeit für Spaltextrusion mit steigenden Temperaturen infolge der Abnahme der physikalischen Eigenschaften zunimmt. Auch Reibkräfte bei dynamisch eingesetzten O-Ringen können zu einer erhöhten Anfälligkeit für Spaltextrusion führen, sofern Reib- und Druckkräfte gleichgerichtet sind. Deshalb gelten für dynamisch eingesetzte O-Ringe deutlich geringere zulässige Spaltweiten beziehungsweise Drücke.
Risse durch Ozoneinwirkung
Die für viele Anwendungen in der Hydraulik und Pneumatik eingesetzten NBR-Elastomere können im gedehntem Zustand bereits nach wenigen Tagen Risse erhalten, wenn diese beispielsweise im vormontierten Zustand einer ozonhaltigen Luft ausgesetzt sind. Dazu reichen die in der Umwelt befindlichen Ozonkonzentration aus, in Innenräumen erzeugen beispielsweise die meisten Lichtquellen UV-Licht, das wiederum den Ozongehalt der Luft ansteigen lässt. Die Rißbildung kann letztlich bis zum Durchriß der Ringe führen.

Insbesondere in den Sommermonaten bei erhöhten Ozonbelastungen ist dieses Schadensbild immer wieder anzufinden, beispielsweise an Verschraubungen, die durchaus bis zu mehreren Monate im vormontierten Zustand bis zur Endmontage zwischengelagert werden können. Bild 5 zeigt einen NBR O-Ring mit den typischen Rissen (Ursache: Ozon) und einer sogenannten Elefantenhaut (Ursache UV-Licht), entstanden im vormontierten Zustand durch eine Freiluftbewitterung.
Als Abhilfsmaßnahme kann im einfachsten Fall bereits das Einölen der O-Ringe ausreichend Schutz bieten, zumindestens für eine begrenzte Zeit. Darüber hinaus gibt es auch ozongeschützte NBR-Werkstoffe. Durch den Zusatz von Ozonschutzmittel wird der chemische Angriff des Ozons auf das Polymer zumindestens für eine begrenzte Zeit verhindert. Zu beachten ist dabei, dass dies in der Regel zu einer Verschlechterung des Druckverformungsrest-Verhaltens führt. Den besten Schutz bieten ozonbeständige Polymere, wie zum Beispiel EPDM-, HNBR- oder FKM-Kautschuk (Fluor-Kautschuk).
Probleme gibt es normalerweise nicht, wenn O-Ringe spannungsfrei gelagert sind oder komplett verbaut werden und damit lichtgeschützt sind und nur ein sehr begrenzter Luftaustausch mit der Umgebung stattfinden kann.
Montagefehler
Damit O-Ringe dichten können, muss der kreisrunde Querschnitt je nach Schnurstärke und Anwendung zwischen 10 und 30 % verpresst werden. Dazu sind erhebliche Verformungskräfte bei der Montage erforderlich. Deshalb ist der O-Ring einer Beschädigungsgefahr ausgesetzt, wenn dieser bei der Montage gegen scharfe Kanten gedrückt wird. Dies ist beispielsweise der Fall bei radial dichtenden O-Ringen, die ohne Einführschräge oder mit einer zu steilen Einführschräge montiert werden. Einführschrägen sollten nicht steiler als 15-20° sein, zudem sollte die Länge größer als die halbe Schnurstärke des O-Rings sein. Zusätzlich empfiehlt sich die Verwendung von Montagefetten, weil dadurch die Montagekräfte wesentlich herabgesetzt werden. Ist dies nicht möglich, kann bereits ein Talkumieren oder Molykotieren der O-Ringe oder eine andere Oberflächenbehandlung das Beschädigungsrisiko deutlich reduzieren.Bei axial dichtenden O-Ringen (Flansch-Abdichtungen) besteht dann eine Beschädigungsgefahr des Abzwickens, wenn der O-Ring nicht stabil im vormontierten Zustand positioniert werden kann, und dieser dann möglicherweise bei der Deckelmontage an einer Stelle am Umfang wieder aus der Nut springt. Bild 6 zeigt ein Beispiel dafür, dieser O-Ring wurde in einer Formnut eingesetzt und ist dann während der Montage aus der Nut gesprungen und wurde dann partiell zerstört. Das Herausspringen des O-Rings kann beispielsweise durch kleine Haltenoppen in der Nut verhindert werden, die bei der Verwendung von Sonderformteilen statt O-Ringen auch bereits an der Dichtung selbst angebracht werden können.

Montagebeschädigungen an O-Ringen können auch entstehen, wenn radial dichtende O-Ringe bereits im verpressten Zustand bei der Montage Bohrungen überfahren müssen. Ist diese Bohrung nicht in eine Entlastungsnut hineingelegt, oder zumindestens von innen entgratet und etwas angeschrägt, so ist der O-Ring bei der Montage einer großen Gefahr der Abscherung im Bereich der Bohrung ausgesetzt.
Eine weitere Gefahr der Beschädigung besteht, wenn die O-Ring-Nuten scharfkantig ausgeführt sind. Nicht gebrochene Kanten können schon bei der Montage den O-Ring beschädigen, hohe Drücke oder Relativbewegungen der abzudichtenden Bauteile können die entstandenen Montagebeschädigungen noch erheblich verstärken, bis es schliesslich zum Dichtungsausfall kommen kann. Zu erkennen sind solche Ursachen anhand des ausgefallenen O-Rings meist an einem geradlinigen Beginn der Beschädigung, das heisst, die scharfe Kante als Ausgangspunkt der Zerstörung bildet sich auf dem O-Ring ab.
Auch zu hohe Aufweitungen des Innendurchmessers bei der Montage können zu Beschädigungen der O-Ringe führen. Aufdehnungen unter 50% des Innendurchmessers gelten als unkritisch, solange der O-Ring genügend Zeit zur Rückverformung vor der Endmontage erhält. Bei stärkeren Aufweitungen bleibt je nach den physikalischen Eigenschaften der O-Ringe ein Restrisiko für Anrisse bestehen, härtere Werkstoffe haben eine höhere Anfälligkeit dafür als weichere. Bei besonders kritischen Abdichtungen, wo dieses montagebedingte Risiko nicht ganz ausgeschlossen werden kann, hilft eine doppelte O-Ring Dichtung, das Leckagerisiko infolge von Anrissen zu minimieren.
Verwechslungsgefahr
Da O-Ringe wegen der Verwendung von Rußen als bevorzugten Füllstoff meistens schwarz sind, lassen sich unterschiedliche Werkstoffe äusserlich nicht auseinanderhalten. Deshalb sollten überall dort, wo parallel verschiedene Werkstoffgruppen eingesetzt werden, zum Beispiel NBR- und FKM-Kautschuk, besondere Vorkehrungen getroffen werden:- Lagerung nicht nach Abmessungen, sondern nach Werkstoffgruppen
- farbliche Unterscheidung der Werkstoffgruppen: Bezüglich des Einsatzes von farbigen O-Ringen bietet der Markt derzeit vor allem FKM- und HNBR- und zum Teil auch EPDM-O-Ringe mit zu den schwarzen Werkstoffen vergleichbaren Werkstoffeigenschaften, bei den farbigen verfügbaren NBR-O-Ringen bedeutet der Einsatz dieser Werkstoffe oft eine Einbuße bezüglich der Hitzebeständigkeit. Prinzipiell kann nicht davon ausgegangen werden, dass farbige Werkstoffe immer so gut wie die schwarzen sind, auch wenn das meistens technisch machbar wäre. Daher sollten diese nur nach sorgfältiger Prüfung ausgewählt werden. Im einfachsten Fall kann schon eine nachträglich aufgebrachte Farbmarkierung die Verwechslungsgefahr wesentlich einschränken.
- Eine einfache Überprüfungsmöglichkeit der Werkstoffbasis besteht über die Rückprallelastizität (Elastomertester), wodurch eine sekundenschnelle, zerstörungsfreie und einfach durchzuführende Möglichkeit der Elastomererkennung gegeben ist. Auch wenn dieses Verfahren keine wissenschaftlich exakte Methode der Polymererkennung darstellt, lassen sich damit die am häufigsten eingesetzten FKM-, NBR-, und EPDM-O-Ringe mit einer erstaunlich hohen Trefferquote unterscheiden. Daher gehört ein solch einfaches Prüfinstrument an einen Montagearbeitsplatz, wo O-Ringe aus unterschiedlichen Polymeren verbaut werden.
- wo ähnliche Abmessungen im gleichen Erzeugnis verwendet werden, sollten auch die Möglichkeiten einer farblichen Kennzeichnung ausgeschöpft werden. Noch effektiver ist es, bereits bei der konstruktiven Auslegung darauf zu achten, entweder gleiche oder gut zu unterscheidende O-Ring Abmessungen auszuwählen.