O-Ringe, richtig eingesetzt, bieten viele Vorteile. Die wichtigsten davon sind ein hohes Maß an Dichtheit bei relativ geringen Verformungskräften, geringer Platzbedarf, einfache Montage und ein niedriger Preis. Diese Vorteile haben zu einem immer stärkeren Einsatz vom O-Ringen geführt, zum Beispiel in der Verbindungstechnik, wo herkömmliche Fügeverfahren durch montagefreundliche Stecksysteme mit O-Ring Dichtungen ersetzt werden. Parallel zu dieser Entwicklung hat sich aus Kostengründen der Fertigungsort für O-Ringe als Massenware ins Ausland verlagert. O-Ringe werden also immer stärker zum Handelsobjekt für deutsche Anbieter, seien es Hersteller oder technische Händler. Weil damit der direkte Zugriff beziehungsweise die unmittelbare Kontrolle auf die Fertigung in den meisten Fällen nicht mehr gegeben ist, kommt der Frage der Prüfung von O-Ringen eine wachsende Bedeutung zu. Hinzu kommt, dass die typischen Abnehmer fast blind auf die Qualität angewiesen sind, da sie keine oder nur unzureichende Fach - und Prüfkompetenz besitzen. Dicht halten die O-Ringe am Anfang fast immer, erst nach einer gewissen Betriebszeit zeigen sich die entscheidenden Unterschiede und können dann erhebliche Kosten verursachen.

Der folgende Fachaufsatz beschäftigt sich daher schwerpunktmäßmit dem Thema der Prüfung und Beurteilung von O-Ringen, mit dem Ziel, Wege zur Beseitigung von Qualitätsunsicherheiten bei O-Ringen aufzuzeigen.

Qualitätsrelevante Eigenschaften von O-Ringen

Bild1: Optische Messmaschine für O-Ringe

Damit O-Ringe über eine angemessen lange Zeit dichten können, müssen diese in ihren Eigenschaften hinsichtlich der folgenden drei Bereiche definiert sein:

  • Maße: O-Ringe erhalten ihre Dichtwirkung dadurch, dass diese in ihrem Querschnitt verformt werden (ca. 10-30 %). Das wichtigste Funktionsmaß von O-Ringen ist die Schnurstärke, der Innendurchmesser kann in bestimmten Bereichen variabel sein, solange die O-Ringe noch montierbar sind, und durch Aufweitungen entstandene Querschnittsreduzierung berücksichtigt werden. Daher sollte vor allem die Schnurstärke ausreichend eng toleriert sein, die O-Ring Norm DIN 3771 gibt hierzu im Teil 1 praxiserprobte und fertigungsgerechte Richtwerte an. Grundvoraussetzung für eine sichere Funktion ist eine vernünftige Auslegung der Nuten, die heutzutage bequem mit fast kostenlos angebotenen PC-Programmen [ 1,2] durchgeführt werden können. Die Überprüfung der Maße wird am besten kräftefrei durchgeführt, d.h. mittels optischen Messmitteln oder Laser-Technik. Bild 1 zeigt das Kameraauge einer Messmaschine für O-Ringe, die diese auch bei stark unrunder Lage sicher und gut reproduzierbar bis zu einem Innendurchmesser von 450 mm messen kann. Für die Überprüfung der Schnurstärke allein bietet sich der Einsatz eines Laser-Scan-Micrometers an, der die höchste Genauigkeit hat.
  • Oberflächenbeschaffenheit: wo gedichtet wird, müssen die Oberflächen sowohl der Dichtflächen als auch der O-Ringe hohen Ansprüchen genügen. Die DIN 3771 beschreibt im Teil 4 Grenzen für zulässige Form- und Oberflächenabweichungen von O-Ringen, dabei wird nach Sortenmerkmal N und S unterschieden. Zu beachten ist allerdings, dass die für den normalen industriellen Gebrauch gefertigten O- Ringe immer Fehlermerkmale besitzen, die über die angegebene Grenzen hinausgehen. Letztlich ist es eine Frage der Größe des Durchschlupfes und der Art der Fehler, ob dies auch in der Praxis zu Problemen führt. Folgende Vorgehensweisen werden zur Vermeidung beziehungsweise Reduzierung von Ausfällen infolge von Oberflächenfehlern angewendet:
  • Vereinbarung eines zulässigen AQL-Niveaus für Oberflächenfehler (0,65-2,5)
  • Unterscheidung nach kritischen (AQL 0) und unkritischen Oberflächenabweichungen (AQL 0,65-2,5)
  • 100% Oberflächenprüfung nach der normalen Bandkontrolle, entweder Tischprüfung (manuell) oder durch eine automatische Prüfmaschine.

    Zu beachten ist, dass dort, wo jeglicher Durchschlupf zum Sicherheitsrisiko wird, letztlich nur ein erhöhter Aufwand bei der Fertigung zusammen mit einem besonderen Kontrollaufwand zum gewünschten Erfolg führt. Die meisten Probleme wie sie an O-Ring Dichtungen in der Praxis auftreten und auf Oberflächenfehler zurückführen lassen, werden aber durch recht grobe Oberflächenfehler verursacht (starke Fließfehler, zu breite Einkerbung, Risse), die in der Regel bereits bei einer konsequenten Stichprobenprüfung (20-200 Stück/Los) aufgedeckt werden können. Deshalb ist eine konsequent durchgeführte Sichtprüfung (Vergrößerung 2-4-fach) als Wareneingangsprüfung empfehlenswert, auch wenn die Stichprobe im Verhältnis zum Lieferlos relativ gering ist.

  • Werkstoffeigenschaften: Gummiwerkstoffe sind rezepturartig aufgebaut und erhalten ihre Gummielastizität erst bei der Verarbeitung durch die Vulkanisation. Mit einer allgemeinen Definition der Polymerbasis gemäß Tabelle 1 ist weder das Quellverhalten des Werkstoffes noch das elastische Rückverformungsvermögen unter Temperatureinwirkung noch die Kälteflexibilität ausreichend genau definiert, deshalb sind die Temperaturangaben in Tabelle 1 auch auf typische Gebrauchselastomere bezogen und können nicht automatisch auf jeden Vertreter dieser Polymerfamilie angewendet werden. Eine Vorstellung der möglichen Streubreite des Quellverhaltens innerhalb der gleichen Polymerfamilie gibt Tabelle 2 [ 3] . Ähnliche Unterschiede können sich auch bezüglich des elastischen Rückstellvermögens und der Kälteflexibilität von O-Ringen innerhalb der gleichen Polymerfamilie ergeben (siehe unten). Diese großen möglichen Unterschiede in den Werkstoffeigenschaften bereiten auch beim Einsatz die meisten Schwierigkeiten, deshalb wird diesem Punkt bei den Prüfungen im Rahmen dieses Aufsatzes auch der größte Raum gegeben.
Polymerbezeichnung Chemischer Name Kurzzeichen DIN/ISO 1629 verbreitete Handels- bezeichnungen
(Kautschuk)
Temperaturbereich von hochwertigen Standard-Werkstoffen (rezepturabhängig) statischer Einsatz
Chloropren-Kautschuk CR Neoprene®
(DuPont Dow Elastomers)
-40°C bis +100 ° C
Nitril-Butadien-Kautschuk NBR Perbunan®
(Bayer AG)
-35 ° C bis + 100 ° C
Hydrierter Nitril-Butadien-Kautschuk HNBR Therban®
(Bayer AG)
-35° C bis + 150 ° C
Äthylen-Propylen-Dien-
Kautschuk
EPDM   -45° C bis + 150 ° C
Fluorkautschuk FKM Viton ®
(DuPont Dow Elastomers)
-30 ° C bis + 200 ° C
Perfluorkautschuk FFKM Kalrez®
(DuPont Dow Elastomers)
-15°C bis max. 300°C
Tabelle 1 zeigt die wichtigsten Kautschuk-Arten für O-Ringe, Handelsbezeichnungen und Temperaturbereiche (rezepturabhängig)
Musterrezeptur nach [ 3] ICI-Emkarate RL 244

Gewichtsänderung nach 14 Tage/60°C in %
NBR - Rezeptur 17 +5,20
NBR - Rezeptur 20 +98,20
CR - Rezeptur 4 +206,0
CR - Rezeptur 86 +21,10
Tabelle 2: rezepturbedingte Einflüsse auf die Quellbeständigkeit von CR- und NBR-Elastomeren

Die Härte

Am verbreitesten bei der Prüfung von Gummi - Artikel ist die Shore A Härte. Diese Prüfung wird mit einem Kegelstumpf als Eindringkörper durchgeführt. An Fertigteilen ist oft eine Messung der Micro - Härte in IRHD sinnvoller, da dabei ein deutlich kleinerer Eindringkörper verwendet wird. Bild 2 stellt die beiden Prüfverfahren einander gegenüber und bildet die Eindringkörper verhältnisgleich zu einem O-Ring mit der Schnurstärke von 1,78 mm ab.

Härteprüfverfahren für O-Ringe

Bild 2: Angewendete Härteprüfverfahren für O-Ringe

Für viele Anwender ist die Härte überhaupt die einzige Werkstoff-Prüfung, die durchgeführt wird. Entsprechend hoch werden dann Härteabweichungen vom Sollwert bewertet. Deshalb soll hier die Frage gestellt werden, warum und wozu die Härte - Prüfung wichtig ist und wozu nicht:

    • die Härte gibt einen Anhaltswert für das Verformungsverhalten des Werkstoffes. Ein harter Werkstoff (90 Shore A/IRHD) hat einen höheren Widerstand gegen Spalteinwanderung bei hohen Drücken (> 70 bar), darüber hinaus bietet er einen höheren Schutz gegen Montagebeschädigungen. Ein weicher Werkstoff (50 Shore A/IRHD) verformt sich leichter und kann Oberflächenfehler, z.B einen Formtrenngrat in einem Kunststoff - Spritzteil, besser abdichten. Daher bestimmt die Wahl der Nennhärte in einem gewissen Rahmen die Funktionsfähigkeit einer Dichtung.
    • Die Härte kann nur dann als Materialkennwert betrachtet werden, wenn normgerecht geprüft wird, das heißt an Prüfplatten.
    • Für Fertigteilprüfungen können sich geometriebedingte Abweichungen von der Normhärte ergeben. An Formteilen ist zu vereinbaren, wo gemessen wird.
    • Als Fertigteilprüfung bietet die Härte eine einfache Möglichkeit der Rezepturidentifikation, wenn diese zusammen mit anderen Prüfungen (z.B. Dichte) bewertet wird.
    • Härtemessungen zeigen Untervulkanisationen nur sehr grob an, d.h., die Härte ist kein effektives Instrument zur Absicherung eines ausreichendes Vulkanisationsgrades. Dies wird irrtürmlicherweise häufig angenommen.
    • Die Härteprüfung ist bezüglich der Messmittelfähigkeit deutlich schlechter als andere Messverfahren, daher stellt eine Abweichungen vom Sollwert nicht zwangsläufig eine wesentliche Qualitätsminderung dar. Dies kann nur im Zusammenhang mit anderen Prüfungen sicher beurteilt werden (z.B. durch den Druckverformungsrest oder den Zugverformungsrest)

    Als Empfehlung bleibt: die Härte ist ein wertvolles Prüfmerkmal, sollte aber bei der Qualitätsprüfung immer zusammen mit anderen Prüfungen eingesetzt werden, zum Beispiel zusammen mit dem Druckverformungsrest. In der Praxis wird der Härtewert in seiner Bedeutung oft wesentlich überbewertet.

    Der Druckverformungsrest

    Unter der Einwirkung von Hitze kann die Dichtwirkung von O-Ringen sehr schnell nachlassen, ohne dass die polymertypische Temperaturgrenze überschritten werden muss. Unterschiede bezüglich dieser für O-Ringe wichtigen Funktionseigenschaft können durch Druckverformungsrestprüfungen [ 4] an O-Ringen festgestellt werden, Bild 3.

    Bild3: Druckverformungsrestprüfung nach DIN 53 517

    Ein Druckverformungsrest (DVR) von 100 % heißt, dass keine Rückstellkraft mehr vorhanden ist, ein Wert von 0 % stellt den idealen Zustand dar, der in der Realität nicht vorkommt (Es sei denn die O-Ringe erfahren während der Prüfung eine Quellung). DVR-Werte beziehen sich immer auf bestimmte Prüfzeiten und Prüftemperaturen. Zu beachten ist, dass prinzipiell unterschieden werden muss zwischen den DVR-Werten , die auf technischen Datenblättern von Gummi-Werkstoffen (Compounds) angegeben sind und den effektiven DVR-Werten, die sich an den unter Serienbedingungen hergestellten O-Ringen ergeben. Datenblatt-Werte des Druckverformungsrestes werden im Allgemeinen an genormten Probekörpern ermittelt, die unter idealen Vulkanisationsbedingungen hergestellt wurden. Die Vulkanisationsbedingungen von O-Ringen, die unter Serienbedingungen gefertigt werden, können davon erheblich abweichen, zudem hat auch die Form und die Dicke des Prüflings einen Einfluss auf die Höhe des gemessenen Druckverformungsrest-Wertes. Somit gibt es oft erhebliche Abweichungen innerhalb des gleichen Dichtungswerkstoffes, das heißt der gleichen Rezeptur, zwischen Datenblattwerten und den Ergebnissen, die an O-Ringen ermittelt werden.

    Die Abhängigkeit des Druckverformungsrestes an O-Ringen, sozusagen die Lebensdauerqualität, lässt sich wie folgt darstellen :

    Lebensdauerqualität (DVR) = Rezepturqualität x Verarbeitungsqualität

    Die multiplikative Verknüpfung bedeutet, dass eine hohe Rezepturqualität wirkungslos bleibt, wenn ein O-Ring bei der Herstellung nicht unter den richtigen Bedingungen vulkanisiert wird. Die Rezepturqualität eines Werkstoffes wird über Normprobekörper ermittelt, die teilweise bis zu 20 Minuten lang vulkanisiert werden, O-Ringe dagegen werden unter Serienbedingungen oft nur 30 Sekunden vulkanisiert. Daher haben Datenblatt-Angaben lediglich eine Aussagekraft über die Rezepturqualität.

    Eine Verarbeitungsstudie, die an peroxidisch vernetzten HNBR-O-Ringen ermittelt wurde (Bilder 4 und 5), zeigt einerseits die hohe Empfindlichkeit des DVR-Wertes gegenüber zu niedrigen Werkzeugtemperaturen, andrerseits belegen diese Diagramme, dass eine starke Untervernetzung von O-Ringen (T=170 °C) nicht über eine Härtemessung nachgewiesen werden kann, da die fertigungsbedingten Streuungen der Härtewerte fast durchweg innerhalb einer Bandbreite von 10 Härtepunkten liegen.

    Bild 4: Einfluss der Werkzeugtemperatur und der Schließzeit bei der Vulkanisation von O-Ringen auf den Druckverformungsrest

    Bei allen drei Werkzeugtemperaturen liegen die Härtewerte nach 180 Sekunden sehr eng beieinander, obwohl die bei 170 °C vulkanisierten O-Ringe einen DVR von 100 % zeigen und damit stark untervernetzt sind.

    Bild 5: Einfluss der Werkzeugtemperatur und der Schließzeit bei der Vulkanisation von O-Ringen auf die Härte

    Auf die Praxis übertragen heißt das, dass erst DVR-Messungen an den O-Ringen selbst Aufschluß über den Vernetzungszustand der O-Ringe erbringen, und dass die Härte der O-Ringe beziehungsweise die Formstabilität der O-Ringe eine Untervulkanisation zu ungenau anzeigen. Vergleicht man das Angebot des Marktes an O-Ringen aus Standard-Werkstoffen bezüglich DVR-Werte ,Tabelle 3, so zeigen sich innerhalb gleicher Polymerfamilien erhebliche Schwankungen als Folge stark unterschiedlicher Rezeptur - und Fertigungsqualitäten der getesteten O-Ringe. Diese Ergebnisse aus Tabelle 3 erfassen nur einen Teil der wirklichen Bandbreite, wie er sich aus einer begrenzten Anzahl von Vergleichstests ergeben hat. Für den Anwender empfiehlt es sich daher, bei der Bestellung von O-Ringen immer solche Mindestanforderungen zu definieren, die an Serien O-Ringen überprüfbar sind (siehe unten).

    Zeit/Temp. Polymer Härte Schnurstärke in mm Zahl der geprüften Positionen DVR in % bester Wert DVR in % schlechtester Wert
    22h/100°C NBR 70 1,78 11 10,4 44,7
    22h/100°C NBR 70 3,53 20 13,4 45,0
    22h/100°C NBR 70 6,99 6 9,0 24,6
    22h/100°C NBR 90 2,50-3,53 9 15,1 53,7
    22h/150°C EPDM 70/80 3,0-3,53 11 9,3 82,4
    22h/200°C FKM 70/80 2,62-3,53 18 8,5 46,1
    Tabelle 3 zeigt die Streubreite von Druckverformungsrest-Werten, wie sie sich aus Messungen an O-Ringen von verschiedenen Lieferanten ergeben hat

    Quell- und Alterungstests

    Durch die Durchführung von Einlagerungsversuchen (DIN 53 521) kann das Verhalten des getesteten Werkstoffes in Bezug auf das Quellverhalten (physikalische Einwirkung) als auch auf die chemische Beständigkeit herausgefunden werden. Hinweise über die chemische Beständigkeit können sehr oft ausreichend genau den von Dichtungslieferanten angebotenen Medienbeständigkeitstabellen entnommen werden, dagegen ergeben sich die Volumenänderungen sehr stark rezepturabhängig. Deshalb ist es angebracht, vor dem Einsatz einer Rezeptur diese mindestens in einer Referenz-Flüssigkeit zu prüfen. Eine Referenz-Flüssigkeit ist eine chemisch klar definierte Substanz, die keine unbekannte, sich im Laufe der Zeit ändernden Zusatzstoffe enthält. Sehr oft kann aus dem Quellverhalten in Referenz-Flüssigkeiten auch das Quellverhalten von vielen anderen Betriebsmedien abgeschätzt werden. Empfohlen wird die Verwendung von Prüfkraftstoff FAM B (DIN 51 604) für mineralölbeständige Elastomere (z. B. NBR, FKM, HNBR) und Aceton für nicht mineralölbeständige Elastomere (z.B. EPDM). Schließt man der Lagerung eine Rücktrocknung (22h/100°C) an, kann man durch die Prüfung auch erkennen, ob die Rezeptur viele Weichmacher enthält. Weichmacheranteile in der Rezeptur verkürzen die Lebensdauer von O-Ringen und sollten daher möglichst vermieden, zumindestens aber eingeschränkt werden (< 10 Vol. %). Der Verlust an Weichmacher bedeutet auch eine deutliche Härtezunahme. Vergleichstests an handelsüblichen NBR-O-Ringen (70 IRHD) mit der Schnurstärke von 3,53 mm ergaben ein Spektrum an Werten bezüglich der Volumenänderung nach Rücktrocknung von - 4,7 bis -16,2 %, bezüglich der Härtezunahme von +4 bis + 16 IRHD. Diese Prüfung kann problemlos an Serien O-Ringen durchgeführt werden und sollte Bestandteil einer Bestellvorschrift sein.

    Typische O-Ring Dichtungen haben ihr Lebensdauerende erreicht und werden undicht, wenn sie eine bleibende Verformung von 100% erreicht haben und zusätzlich ein Volumenschwund durch Weichmacherextraktion oder durch tiefe Temperaturen auftritt, oder wenn sich in der Anwendung betriebsbedingt ein zusätzlicher Dichtspalt durch Wärmeausdehnungen oder Druckaufweitungen ergibt. Also bevor ein O-Ring total versprödet ist und seine Gummielastizität verloren hat, fällt er in der Regel durch eine zu hohe bleibende Verformung aus. Trotzdem sollte das Verhalten gegenüber Hitze beziehungsweise Umluft (DIN 53 508) von O-Ringen kontrolliert werden. Hierzu sollte zumindestens für jede Rezeptur einmalig die Härte-, Gewichts-, und Volumenänderung nach einer definierten Temperaturbelastung gemessen werden, eventuell noch zusätzlich die Änderung der Zugfestigkeit und der Reißdehnung. Auch bezüglich diesem Verhalten wirken sich hohe Weichmacheranteile in O-Ring Dichtungen sehr negativ aus.

    Kälteflexibilität

    Bei der Bestimmung des Kälteverhaltens von Gummiwerkstoffen gibt es verwirrend viele Prüfverfahren, die wiederum nicht miteinander vergleichbar sind. Am weitesten verbreitet sind der TR 10- Wert (ISO 2921), der Torsionsschwingversuch (ISO 4663), die Differenz-Scanning-Kalorimetrie, DSC (VDA 675 116) und der Druckverformungsrest bei tiefen Temperaturen (DIN 53 517). Zur Bestimmung der Tieftemperaturgrenze von O-Ring Dichtungen hat die Druckverformungsrest-Messung die höchste Aussagekraft, sofern man in etwa den Punkt ermitteln kann, bei welchen Temperaturen der O-Ring einfriert, das heißt, komplett seine Vorspannung verliert. Messungen haben gezeigt [ 5] , dass statische O-Ring Dichtungen bis deutlich unterhalb der Einfriertemperatur noch dichten. Daher ist die Definition einer Prüftemperatur ca 10 bis 15 °C oberhalb der unteren Einsatzgrenze sinnvoll, wo der O-Ring noch ein messbares Rückstellverhalten zeigen sollte (DVR < 95 %). Dieses Prüfverfahren kann problemlos an Serien O-Ringen angewendet werden und sollte mindestens einmal für jede eingesetzte Rezeptur überprüft werden. Vergleichsmessungen bei -30°C von verschiedenen EPDM-Rezepturen ergaben zum Beispiel ein breites Spektrum an Werten von 47% bis 97 %.

    Beschreibung der Rezepturzusammensetzung durch eine themogravimetrische Analyse, TGA

    Da neben dem Polymer die restlichen Rezepturbestandteile einer Gummimischung einen wichtigen Einfluss haben, ist es für den Anwender wünschenswert, eine Rezeptur bezüglich der Zusammensetzung zu beschreiben beziehungsweise zu charakterisieren. Dies ermöglicht innerhalb bestimmter Grenzen eine TGA-Analyse. Dabei wird eine Werkstoffprobe (ca 10 mg) der zu überprüfenden Dichtung kontinuierlich bis zu max. 1000°C erhitzt, und dabei der relative Gewichtsverlust über der Temperatur gemessen. Die Auswertung der Rezeptur erlaubt die quanitative Ermittlung der Mischungsbestandteile in verdampfbare Bestandteile (überwiegend Weichmacher), pyrolysierbare Bestandteile (überwiegend Polymer), oxidierbare Bestandteile (überwiegend Ruß) und nicht oxidierbare Bestandteile, auch als Ascherest bezeichnet. Wird diese Kurve bei einer Erstbemusterung aufgenommen, kann bei späteren Lieferungen in Zweifelsfällen an Serienteilen die Übereinstimmung geprüft werden. Daher wird diese Prüfung hauptsächlich bei der Erstmusterprüfung durchgeführt, bei der Serienüberwachung nur in Zweifelsfällen oder für kritische Teile. Auch bei Schadensanalysen liefert eine TGA-Kurve wertvolle Informationen und erlaubt oft wichtige Rückschlüsse. Bild 6 zeigt eine TGA-Analyse für eine NBR 70 Rezeptur, die blaue Kurve zeigt den Gewichtsverlauf über der Temperatur, die rote Kurve die Gewichtsänderung.

    Bild 6: Thermogravimetrische Analyse einer NBR 70 Rezeptur

    Qualifikationsprüfungen und Serienüberwachung

    Wie oben ausgeführt, ergibt sich die Lebensdauerqualität von O-Ringen aus der Rezepturqualität und der Fertigungsqualität und lässt sich als Produkt darstellen, siehe Bild 6. Die wichtigsten Einflussgrößen auf die Rezepturqualität sind das Polymer selbst, der Weichmachergehalt (möglichst gering) und das Vernetzungssystem. Die wichtigsten fertigungsbedingten Einflussfaktoren auf die Werkstoffeigenschaften sind die Vulkanisations- und Temperbedingungen. Die Überprüfung der Rezepturqualität wird in der Regel nur einmalig durchgeführt, dafür sollte sie aber das komplette Spektrum an wichtigen Eigenschaften einschließen. Neben den physikalischen Grundeigenschaften (z.B. Härte, spez. Gewicht, eventuell noch Zugfestigkeit und Reißdehnung) sollte das Hochtemperaturverhalten (z.B. Druckverformungsrest und Alterung), das Tieftemperaturverhalten (z.B. DVR ) und das Quellverhalten in Referenzmedien (z.B. FAM B oder Aceton + Rücktrocknung, ASTM-Öle) geprüft werden. Tabelle 4 gibt ein Beispiel einer Bestellvorschrift für Standard NBR-O-Ringe aus dem mittleren Leistungsspektrum, durch Reduzierung des DVR-Grenzwertes kann das Anforderungsprofil je nach Bedarf bis ca 15 % verschärft werden. Nachdem eine Rezeptur einmalig mit unter Serienbedingungen hergestellten O-Ringen überprüft wurde, sollten noch typische Identifikationsmerkmale der Rezeptur definiert werden. Das kann mit der Härte und dem spezifischen Gewicht grob getan werden, durch eine TGA-Analyse (siehe oben) kann die Rezeptur deutlich besser hinterlegt werden. Eine Infrarot-Spektralanalyse des Extraktes kann darüber hinaus noch weitere Merkmale der Rezeptur beschreiben, z.B. die Art des Weichmachers.

    Werkstoff-Prüfung NBR 70 NBR 80 NBR 90
    Härte, DIN 53519,Teil 2, IRHD 70+/- 5 80+/- 5 90+/- 5
    Spezifisches Gewicht, DIN 53 479, zulässige Abweichung vom rezepturbezogenen

    Mittelwert, g/cm3

    +/-0,02 +/-0,02 +/-0,02
    Druckverformungsrest, DIN 53517 , %

    24h/100 °C

    30 max. 30 max. 35 max.
    Druckverformungsrest, DIN 53 517, %

    24h/-25 °C, Messung 60 s nach Entspannung,

    95 max. 95 max. 95 max.
    Lagerung in Prüfkraftstoff FAM B (DIN 51604), 24h/23 °C      
    Änderung des Volumens, % 95 max. 90 max. 85 max.
    Anschließende Rücktrocknung 22h/100 °C      
    Änderung des Volumens, % -10 max. -10 max. -10 max.
    Änderung der Härte, Shore A +12

    max.
    +12 max. +12 max.
    Lagerung in ASTM-Öl Nr. 3, 70h/100°C .    
    Änderung des Volumens, % +20 max.. +20max. +15max.
    Änderung der Härte, Shore A -10 max. -10 max. -10 max.
    Umluft, 70h/100 °C      
    Änderung des Volumens, % -3 max. -3 max. -3 max.
    Änderung des Gewichts, % -3 max. -3 max. -3 max.
    Änderung der Härte, Shore A +8 max. +7 max. +6 max.
    Tabelle 4: Vorschlag für eine fertigteilbezogene Bestellvorschrift (Werkstoffanforderungen) für Standard NBR-O-Ringe aus dem mittleren Leistungsspektrum

    Bei der Überprüfung der Serienlieferungen, also bei typischen Wareneingangsprüfungen, reicht es dann in der Regel aus, wenn einmal die Rezeptur grob identifiziert wird (Härte + spez. Gewicht), und wenn dazu noch ein zufriedenstellender Vulkanisationsgrad über eine Druckverformungsrest-Messung nachgewiesen wird. Unabhängig davon sollten natürlich die Einhaltung der Maßtoleranzen und der geforderten Oberflächenbeschaffenheit der O-Ringe überwacht werden (siehe oben).

    Neu: Prüfen als Dienstleistung

    Da angemessene Qualifikations- und Serienprüfungen an O-Ringen und natürlich auch an anderen Gummi-Dichtungen zur Lebensdauerabsicherung des Gesamterzeugnisses wichtig sind, diese aber hohe Kosten für Prüfgeräte und qualifiziertes Prüfpersonal bedeuten, bietet hier ein erfahrener O-Ring-Spezialist seine unabhängige Prüf- und Fachkompetenz als Dienstleistung an. Denn gerade der hohe erforderliche Spezialisierungsgrad bei der Prüfung von Gummi-Teilen macht diese Tätigkeit zu einem typischen Dienstleistungssektor (Bild 8) Durch die breite Nutzung dieser Dienstleistung ergeben sich dabei zusätzliche Kostenvorteile für die Anwender. Sinnvolle Wareneingangsprüfungen für O-Ringe können so schon für weit unter hundert DM angeboten werden. Auch für die Qualifizierung der Mitarbeiter bietet sich die Inanspruchnahme von praxisorientierten Seminaren über Gummiwerkstoffe und andere dichtungstechnisch interessante Themen eines unabhängigen Spezialisten an. Bisher haben seit der Gründung des O-Ring Prüflabors Richter im Jahr 1996 bereits über zweihundert Firmen dieses Dienstleistungsangebot in Anspruch genommen, sei es in Form von Prüfungen, Schulungen, Beratungen oder Schadensanalysen. Die Inanspruchnahme dieser Dienstleistung ermöglicht es, unabhängig vom Lieferanten und von der Abnahmemenge, zuverlässig die Qualität von O-Ringen und anderen Gummi-Dichtungen zu beurteilen.

    Zusammenfassung

    Der obige Fachaufsatz macht mit den wichtigsten Prüfungen für O-Ringe vertraut und bewertet diese auch in Bezug auf ihren praktischen Nutzen. Er zeigt, wo die größten Qualitätsunsicherheiten bei O-Ringen zu erwarten sind und schlägt Wege vor, wie O-Ringe auf technisch sinnvolle und wirtschaftlich vertretbare Weise in Bezug auf ihre Qualitätseigenschaften abgesichert werden können.

    Literaturverweise

    [ 1] inPHorm, PC-Programm zur Berechnung und Auswahl von O-Ringen, Parker Hannifin , O-Ring Division, Pleidelsheim

    [ 2] SimCat, der Katalog, Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik, Weinheim

    [ 3] University of Akron, Compatibility of Refrigerants and lubricants with Elastomers, final report 1994

    [ 4] DIN 53 517 Bestimmung des Druckverformungsrestes nach konstanter Verformung

    [ 5] H.P. Weise, H. Kowalewsky, R.Wenz, Behaviour of Elastomeric Seals at Low Temperature, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin, PARTRAM 92, Yokohama